30. April 2009

UP

UP - Aufsteigen aus der Versenkung

Zehn Jahre nach seinem letzten regulären Studioalbum beehrt Gabriel 2002 seine Fans mit einem neuen Werk. Und die Veröffentlichung war sogar tatsächlich im September. Kurz vor Erscheinen des Albums führte Gabriel auf seiner Homepage noch eine Umfrage durch, ob das Album so wie jahrelang angekündigt oder nun neuerlich I/O heißen sollte. Man stimmte mehrheitlich für UP. Somit wählte Gabriel zum dritten Mal einen zweibuchstabigen Titel, die sich insgesamt aus den Buchstaben O, P, S, U zusammensetzten. Das neue Album war hohen Erwartungen ausgesetzt – enttäuschend wurde es nicht.

Weit entfernt hat PG sich musikalisch von den ethnischen Klängen der Passion- und US-Zeiten. Vielmehr nähert er sich wieder den experimentierfreudigen Klangzaubereien noch früherer Zeiten, ist dabei aber nicht mehr so schroff wie noch etwa auf III oder IV. Der Gesamtsound wirkt glatter, ausgefeilter und irgendwie gekonnt, bietet dafür aber auch nicht immer große Reibungsflächen. Die Musik ist vielschichtig, wie es Gabriel liebt, was aber (glücklicherweise) nicht mehr so offensichtlich wie noch bei US ausfällt. Trotzdem bestehen die Tracks meist aus viel mehr Elementen, als es beim ersten Hören bemerkbar ist.

Die Texte sind düster. Entgegen den durch den Albumtitel angeregten Erwartungen, beschäftigen sie sich - gabrieltypisch - mit tiefgründigen (Selbst)Beobachtungen und drehen sie sich in vier von zehn Fällen sogar um den Tod. Gabriel erzählt viel von persönlichen Wahrnehmungen, daneben hat er aber auch den Lehrmeister in sich entdeckt und hält ein paar Vorträge zu Wissenswertem.

Einige Stücke des Albums sind sehr bemerkenswert.

Der Opener Darkness beginnt mit leise klimpernden Tönen, die einen dazu verleiten, die Lautstärke hoch zu regeln. Dann jedoch breitet ein lautes Klanggewitter eine Landschaft aus Angst und Verspannung aus, die wiederum mit Pianoklängen in der Überleitung zum (bemerkenswert schlichten) Refrain besänftigt wird. Dieser Auftakt sitzt.

Die erste (von drei) Singleauskopplungen ist The Barry Williams Show gewesen - ein Song der selbst von PG-Fans bald ignoriert wird. Leider hat er nämlich einen Inhalt (die Unmenschlichkeit von Daily-Talkshows), dessen Relevanz schon beim Erscheinen nah am Verfallsdatum war. Eigentlich schade, denn es handelt sich um einen groovenden, gutgelaunten Song mit viel Biss. Mit seinen Bläsersätzen ist er zwar eine weitere Reminiszenz an Sledgehammer, das tut der Qualität aber keinen Abbruch.

Letztendlich erweist sich dann Growing Up als das nachhaltiger wirkende Stück. Erstaunlich, dass es erst an dritter Stelle ausgekoppelt wird. Es beschreibt eine Art Lebensreise von Geburt bis zum Hinscheiden und beginnt mit leise plinkernden Tönen bevor es sich zu geradezu House-ähnlichen Rhythmen hochschwingt, um schließlich wieder in feinem Geflirre zu enden.

Sky Blue ist auf dem Album die eine Langsamnummer (etwas sperrig, aber beseelt), I Grieve ist die andere. Dieser Song war schon in einer Variation bekannt von dem Soundtrack zu “City Of Angels” und ist nach wie vor etwas Geduld fordernd, kann aber anrühren.

Und dann gibt es da noch Signal To Noise, ein hymnisches, Lied über die Auflehnung gegen Gleichgültigkeit und ertaubende Abstumpfung. Irritierenderweise ist die Musik zu diesem Thema nicht zurückhaltend, sondern energetisch, fast bombastisch.

Auch More Than This, die zweite Single aus dem Album, ist mit erheblicher Wucht ausgestattet. Zur ganz großen Strahlkraft reicht das indessen nicht. Textlich belehrt uns Gabriel, dass es eben in dieser Welt noch mehr geben muss, als das.

Das ungewöhnliche The Drop beschließt das Album. Eigentlich ein schönes, nachdenkliches Lied. Nach den ganzen aufwändig gearbeiteten Tracks wirkt die schlichte Pianoballade aber fast schon deplatziert.

Für das ganze Album gab es erstmals keinen Produzenten. - Wie auch: zehn Jahre Produktionszeit – das hält keiner durch. Gabriel hat das diesmal allein gemacht. Nur für einige wenige Tracks, werden Co-Produzenten genannt (Steve Osborne, Daniel Lanois, Stephen Hague).

Natürlich sind als Musiker wieder die alten recken Levin und Rhodes dabei. Auch Manu Katché taucht als einer der fünf (!) Drummer auf und noch einige andere Kollegen aus Gabriels Vergangenheit werden genannt. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass manche Aufnahmen schon weit zurückliegen. Von Interesse ist sicher noch die eingesamplete Stimme von Nusrat Fateh Ali Khan, der zur Aufnahmezeit bereits verstorben war, das Wirken von Richard Evans, der zunehmend wichtiger wird für Gabriels Schaffen, und Melanie Gabriel (seine Tochter) die bei drei Songs bereits Backing Vocals singt.

Fazit
Der gealterte Meister hat bewiesen, das er es doch noch kann. Durchaus empfehlenswert.